Friedrich Merz: Die Merz-CDU, ein Männerladen (2024)

Quote hin oder her: Friedrich Merz und die Frauen – das ist kompliziert. Viele Wählerinnen spricht er nicht an. Und das könnte für ihn und die Partei zum Problem werden.

Von Lisa Caspari

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"Vertreter der ganzen Partei" seien sie, sagte CDU-Chef Friedrich Merz bei der Präsentation seines neuen Generalsekretärs Carsten Linnemann vergangene Woche. Zwei Männer aus Nordrhein-Westfalen an der Parteispitze, beide wirtschaftsnah und konservativ, ob das nicht die Balance nach Regionen und Parteiflügeln ins Wanken bringe, hatte eine Journalistin gefragt. Merz versprach daraufhin: Niemand werde zu kurz kommen.

Kein Thema in der Pressekonferenz war: Dass es wieder mal zwei Männer sind, die fortan über Wohl und Wehe der größten deutschen Oppositionspartei entscheiden werden.

Die CDU und die Frauen, das ist – auch nach 18 Jahren Angela Merkel (und anderthalb Jahren Annegret Kramp-Karrenbauer) – keine einfache Beziehung. Nicht mal ein Viertel (24 Prozent) der Abgeordneten der Unionsfraktion im Bundestag sind Frauen, also deutlich unter dem Durchschnitt (35 Prozent). Und in der Partei drängen kaum prominente Politikerinnen auf einen herausgehobenen Posten. Zwei weibliche Vizes hat Parteichef Merz, die eine, Silvia Breher aus Niedersachsen, bekannt für ihren weißblonden Irokesenschnitt, tritt in programmatischen Debatten fast nie öffentlich in Erscheinung. Die andere, Karin Prien aus Schleswig-Holstein, ist medial sehr präsent – aber vor allem mit ihrer Kritik am Kurs des Parteichefs.

Dann wäre da noch die Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp, seit gut einem Jahr ist sie Merz’ stellvertretende Generalsekretärin. Ein Amt, das es vorher nicht gab und das schnell für Spott sorgte – klingt stellvertretende Generalsekretärin doch verdächtig nach Assistentin der Parteiführung. Seit ihrer Wahl war von der 35-Jährigen wenig zu hören. Sie wirke "nach innen", heißt es kryptisch von sämtlichen Christdemokratinnen und Christdemokraten, die man zu ihrer Bilanz befragt. Was genau Stumpp aber tue, darauf hat niemand spontan so wirklich eine Antwort.

Frauen "rollen mit den Augen, wenn sie seinen Namen hören"

Es ist selten geworden, dass eine Partei in Deutschland keine Frau auf ihren wichtigsten Spitzenämtern – dem Parteivorsitz, dem Fraktionsvorsitz oder aber dem Generalsekretärsamt – stellt. Grüne und SPD und selbst die AfD haben den Parteivorsitz quotiert. Aber Männerüberschuss ist jetzt auch nicht völlig ungewöhnlich: Bei FDP und CSU ist die Partei- und Fraktionsspitze ebenfalls männlich dominiert. Das muss strategisch kein Nachteil sein. Frauen wählen natürlich auch Männer, wenn sie deren politisches Angebot überzeugt. Aber sie wählen anders, tendenziell progressiver, als Männer, wie Studien zeigen. Nicht immer, aber meistens ist das so. Es ist kompliziert.

Es ist daher nicht unbedingt ein Problem, dass Friedrich Merz sich mit Männern umgibt, die ihm in Stil und Habitus ähneln. Ein Problem wird daraus, weil er bei Frauen eher unbeliebt ist. Vor allem jüngere Frauen, gebildet und beruflich erfolgreich, "rollen mit den Augen, wenn sie seinen Namen hören", sagt eine Christdemokratin über ihren Parteichef– und diese Analyse wird auch von dem ein oder anderen männlichen Kollegen hinter vorgehaltener Hand so geteilt. Die Neunziger-Jahre-Aura des Investmentmanagers, die Merz nach wie vor umweht, kommt offensichtlich bei modernen Frauen nicht an – diese Analyse hört man immer wieder und an verschiedenen Stellen der Partei.

Die Demoskopie bestätigt das. Laut einer Forsa-Umfrage von Juni würden nur 20 Prozent aller Deutschen für Merz stimmen, wenn sie den Kanzler direkt wählen könnten, weniger als für Olaf Scholz. "Friedrich Merz polarisiert quer durch alle Wählerschichten. Aber bei Jüngeren und Frauen schneidet er signifikant schlechter ab", sagt Geschäftsführer Peter Matuschek ZEIT ONLINE. Konkret: 23 Prozent der Männer befürworten Friedrich Merz als Kanzler, aber nur 16 Prozent der Frauen. "Es ist ein Problem, das Merz hat, seitdem er in der Politik ist", betont Matuschek.

Gerade einmal sechs Prozent der Frauen unter 29 sehen ihn als Kanzler

Bei den jüngeren Frauen war die Zustimmung sogar deutlich niedriger – nur sechs Prozent der bis 29-Jährigen sehen in dieser Umfrage Merz als Kanzler und 13 Prozent der bis 44-jährigen Frauen. Bei anderen Instituten, infratest dimap und der Forschungsgruppe Wahlen, sieht man ebenfalls einen kleinen Merz-Nachteil bei den Frauen. Wobei beide in der Bewertung vorsichtiger sind: Signifikant – also statistisch bewiesen – sei der Unterschied in diesen Erhebungen (noch) nicht.

Merz’ öffentliche Auftritte sind zudem wenig empathisch: Vergangene Woche hielt er eine bemerkenswert emotionslose Ansprache, um seinen bisherigen Generalsekretär Mario Czaja ohne ein einziges Lächeln zu verabschieden. Und wenn Merz sich angegriffen fühlt, dann tickt er auch mal aus – mit dem Risiko, noch unsympathischer zu wirken. So zum Beispiel, als er die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler im Plenum des Bundestags vor allen Augen mit erhobenem Zeigefinger maßregelte: "Was glauben Sie, wer Sie sind?". Gülers Vergehen: Sie hatte in einer Frage der Migrationspolitik nicht mit der Fraktionslinie gestimmt. Auch Armin Laschet und Norbert Röttgen hatten sich beim sogenannten Chancenaufenthaltsrecht gegen Fraktionschef Merz gestellt, aber sie wurden von dessen öffentlicher Wut verschont. Weil sie Männer sind?

Es sind jedenfalls solche Szenen, die dafür sorgen, dass männliche Christdemokraten in diesen Tagen Journalistinnen auch ungefragt von ihrem Dilemma berichten, dass selbst die eigene Ehefrau sich von Merz nicht abgeholt fühlt. Und das, wo in der CDU natürlich schon sehr offen die Überlegungen laufen, wer eigentlich im kommenden Jahr Kanzlerkandidat werden könnte.

Wie gut der neue Generalsekretär Linnemann, 45 Jahre alt, ein promovierter Volkswirt aus dem Paderborner Land, Merz’ Akzeptanzproblem bei den Wählerinnen korrigieren kann, dazu gibt es noch keine Erhebungen. Er versprüht bei seinen Auftritten ebenfalls wenig Wärme, sondern ist eher der Typ Sorgenfalte. Und er gehörte zu den lautesten Gegnern einer parteiinternen Frauenquote.

Nach jahrelangen Auseinandersetzungen stimmte der CDU-Parteitag im vergangenen Herbst dennoch dafür, 30 Prozent der Posten und Listenplätze mit Frauen zu besetzen. Die Debatte lief hitzig – als letzter Redner schaltete sich Merz ein und hielt ein Plädoyer für die Quote. Die Abstimmung gewann er damit knapp.

Das Wort "Gleichstellung" missfällt dem neuen Generalsekretär

Die CDU tut sich schwer mit solchen Vorgaben – glaubt sie doch lieber an Eigenleistung und möglichst wenig Gängelung von oben. Die Frauenquote der CDU ist daher bis 2029 befristet, mal sehen, ob es danach von alleine läuft mit der Frauenförderung.

Exemplarisch lief auf dem Parteitag im vergangenen Herbst auch ein Streit um zwei Wörter: Steht die CDU für "Gleichberechtigung der Geschlechter" oder will sie auch deren "Gleichstellung" fordern? Also: Gleichheit beim Start oder möglichst egalitär im Ergebnis?

Linnemann und der Wirtschaftsflügel waren mit der Jungen Union für "Chancengleichheit".

Viele Frauen und Vertreter des liberalen Flügels der Partei zeigten sich entsetzt: Das sei ein "Rückschritt", denn die Parteiprogramme von 2007 und 1994 hatten mit dem Begriff Gleichstellung noch kein Problem. Chancengleichheit statt Gleichstellung – das klinge wie: Frauen dürfen zwar mit in den Raum, sie werden aber nicht auf Augenhöhe behandelt, konterte schließlich eine Rednerin.

Ist Linnemann also jemand, der Frauen nicht für voll nimmt? Das bestreiten auch die Gleichstellungsbefürworterinnen in der CDU glaubhaft. Serap Güler, die mit Linnemann die Arbeit am neuen Grundsatzprogramm verantwortet, beteuert, dass sie mit dem neuen Generalsekretär "sehr freundlich und auf Augenhöhe zusammenarbeite".

"Ich kenne Carsten Linnemann als sachlichen und kollegialen Verhandler", sagt auch die Vorsitzende der Frauen Union, Annette Widmann-Mauz, die mit Linnemann früher über die Frauenquote verhandelte, ein Thema, bei dem beide fundamental unterschiedliche Auffassungen haben: "Carsten Linnemann ist immer offen für Argumente und einen Kompromiss." Widmann-Mauz geht sogar so weit, die Neuaufstellung mit Linnemann als Chance auch für den Parteichef zu sehen: "Ein Generalsekretär hat die Aufgabe zuzuspitzen", sagt sie. "Carsten Linnemann kann so die Wahrnehmbarkeit der Partei stärken. Friedrich Merz kann sich darauf konzentrieren, die CDU als Angebot für alle zu stärken."

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